Systematik der Minerale
Unter der Systematik der Minerale versteht man eine nach chemischer Zusammensetzung und Kristallstruktur sortierte Liste aller bekannten Mineralarten.
In der Mineralogie werden zwei grundlegende Systematiken unterschieden: Die überwiegend im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Systematik nach Hugo Strunz und die im englischen Sprachraum, vor allem in den Vereinigten Staaten, verwendete Systematik nach James Dwight Dana. Oberflächlich betrachtet, sehen sich beide Systematiken recht ähnlich, da deren erste, grobe Klassifikation, die so genannte „Mineralklasse“, in beiden Systemen der chemischen Zusammensetzung folgt.
Je nach Auflage der Systematik schwankt die Anzahl der Mineralklassen in dieser ersten Einteilung zwischen acht und zehn.
Bei der weiteren Unterteilungen orientieren sich die alte Systematik der Minerale nach Strunz (8. Auflage) und neue Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage) (seit 2001) allerdings weiterhin zunächst an der chemischen Zusammensetzung, während die Systematik der Minerale nach Dana die Kristallstruktur als Unterscheidungsmerkmal vorzieht. Daher ist unter anderem der Quarz in der Strunzschen Systematik aufgrund der Verbindung SiO2 den Oxiden zugeordnet. Sein kristalliner Aufbau aus miteinander verbundenen SiO4-Tetraedern entspricht aber der von Silicaten, unter denen er nach Danas Systematik auch zu finden ist.
Inhaltsverzeichnis
1 Mineralklassen
1.1 I Elemente
1.2 II Sulfide, Sulfosalze und verwandte Verbindungen
1.3 III Halogenide
1.4 IV Oxide und Hydroxide
1.5 V Carbonate und Nitrate
1.6 VI Borate
1.7 VII Sulfate, Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate
1.8 VIII Phosphate, Arsenate und Vanadate
1.9 IX Silikate und Germanate
1.10 X Organische Minerale
2 Siehe auch
3 Literatur
4 Weblinks
5 Einzelnachweise
Mineralklassen |
I Elemente |
In dieser Mineralklasse sind alle gediegen, also in der Natur in elementarer Form vorkommenden chemischen Elemente versammelt. Hierzu zählen 23 Elemente (18 Metalle und 5 Nichtmetalle) sowie ihre Modifikationen. Zur Klasse der Elemente werden auch natürliche Legierungen, Intermetallische Verbindungen, Carbide und Verwandte gezählt. Diese Minerale sind selten, haben aber teilweise eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung.
- Beispiele:
- Metalle und Legierungen beziehungsweise intermetallische Verbindungen: Gold (Au), Quecksilber (Hg), Luanheit, Goldamalgam, Messing
- Halbmetalle (Metalloide) und Nichtmetalle: Antimon (Sb), Arsen (As), Graphit (C), Diamant (C), Silicium (Si), Schwefel (S), Selen (Se), Tellur (Te)
- Metalle und Legierungen beziehungsweise intermetallische Verbindungen: Gold (Au), Quecksilber (Hg), Luanheit, Goldamalgam, Messing
II Sulfide, Sulfosalze und verwandte Verbindungen |
Zur Klasse der Sulfide und Sulfosalze gehören alle Verbindungen zwischen Metallen und den Chalkogenen Schwefel, Selen, Tellur (Te), Arsen, Antimon und Bismut (Bi, früher Wismut). Hierzu zählen etwa 600 Minerale. Die meisten Metalle (insbesondere die Buntmetalle) werden aus sulfidischen Erzen gewonnen.
- Beispiele:
- Sulfide: Galenit (Bleiglanz), Pyrit (Eisenkies), Sphalerit (Zinkblende), Cinnabarit (Zinnober), Chalkopyrit (Kupferkies)
- Sulfosalze: Miargyrit, Aikinit, Baumhauerit, Freieslebenit, Enargit
III Halogenide |
Die etwa 140 Halogenide bestehen aus einer Verbindung mit den Halogenen Fluor, Chlor, Brom oder Iod mit Kationen wie Natrium oder Calcium. Die Vertreter dieser Minerale treten in Salzlagerstätten auf.
- Beispiele: Fluorit (Flussspat), Halit (Steinsalz), Sylvin (Kalisalz), Kryolith, Carnallit
IV Oxide und Hydroxide |
Aus der Verbindung von Metallen oder Nichtmetallen mit Sauerstoff oder Hydroxygruppen (OH− -Gruppen) entstehen die etwa 400 Oxide beziehungsweise Hydroxide (frühere Schreibweise Oxyde bzw. Hydroxyde). Während Hydroxide an der Erdoberfläche als so genannte Sekundärminerale entstehen, bilden sich Oxide unter hohem Druck im Erdinneren.
- Beispiele: Spinell, Magnetit, Korund, Goethit, Böhmit, Eis
V Carbonate und Nitrate |
Zur Klasse der Carbonate (veraltet: Karbonate) und Nitrate zählen die Salze der Salpetersäure und Kohlensäure. Carbonate haben als Hauptbestandteil der Kalksteine eine große Verbreitung, während Nitrate nur in wenigen Salzseen in den Tropen auftreten.
- Beispiele: Calcit (Kalkspat), Aragonit, Dolomit, Azurit und Malachit
VI Borate |
Borate sind die Salze der verschiedenen Borsäuren. Aus strukturellen Gründen ist die Vielfalt der Borate sogar noch größer als die der Silicate. Sie werden in acht Unterklassen differenziert: Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Hexa-, Hepta- und andere Megaborate sowie unklassifizierte Borate. Borate sind seltene Minerale, die man fast nur in Salzseen findet.
- Beispiele: Borax, Boracit, Ulexit
VII Sulfate, Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate |
Zur Klasse der Sulfate, Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate zählen die Salze der Schwefelsäure, Chromsäure, Molybdänsäure und Wolframsäure, außerdem die Selenate und Tellurate mit zweiwertigen tetraedrischen Komplexionen (Bsp. [SO4]2−). Die Gruppe umfasst etwa 700 Mineralien. Während Sulfate große Bedeutung in Sedimentgesteinen haben und Wolframate in wirtschaftlich relevantem Maße in hydrothermalen Lagerstätten auftreten können, sind die anderen Untergruppen sehr selten.
- Beispiele: Gips, Anhydrit, Ettringit, Krokoit, Scheelit
VIII Phosphate, Arsenate und Vanadate |
Zu den Phosphaten, Arsenaten und Vanadaten zählen alle Minerale mit dem Säurerest H3XO4, wobei X für Phosphor, Vanadium, Arsen stehen. Das einzige gesteinsbildende Mineral dieser Gruppe ist der Apatit, andere Minerale treten stets nur in geringen Mengen auf.
- Beispiele: Apatit, Monazit, Xenotim, Vanadinit, Türkis
IX Silikate und Germanate |
Die Silikate mit ihren vielen gesteinsbildenden Mineralen stellen die größte Klasse (einschließlich Quarz über 90 % der Erdkruste[1]) dar, in denen der [SiO4]4−-Tetraeder einen wesentlichen Baustein darstellt. Hinzugezählt werden außerdem noch die sehr seltenen Germanate.
- Beispiele:
Inselsilikat: Zirkon
Gruppensilikat: Melilith
Ringsilikat: Turmalin
Kettensilikat: Diopsid
Bandsilikat: Hornblende
Schichtsilikat: Kaolinit
Gerüstsilikat: Orthoklas
X Organische Minerale |
Hierzu zählen Salze organischer Säuren, aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, stickstoffhaltige Verbindungen (Amide organischer Säuren oder Heterocyclen) und Harze. Organische Minerale haben sowohl geowissenschaftlich als auch wirtschaftlich nur eine sehr untergeordnete Bedeutung und bilden sich überwiegend in der Nähe von Lagerstätten fossiler Brennstoffe.
- Beispiele: Whewellit, Weddellit, Abelsonit, Mellit, Evenkit
Bernstein wird von der IMA zwar nicht als eigenständiges Mineral anerkannt, jedoch in den Mineralsystematiken als Namensgeber einer Mineralgruppe innerhalb der Abteilung „diverser organischer Mineralien“ (früher der „harzähnlichen Verbindungen“) weiterhin aufgeführt.
Siehe auch |
- Liste der Minerale
- Liste der Gesteine
Literatur |
Karl Hugo Strunz, Christel Tennyson: Mineralogische Tabellen. 8. Auflage. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig 1982.
Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X.
- Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York (u. a.) 1997, ISBN 0-471-19310-0.
Weblinks |
Mineralienatlas: Übersicht der ehemaligen und bestehenden Mineralsystematiken (Wiki)- Dana-Klassifikation bei mindat.org und Webmineral (englisch)
Einzelnachweise |
↑ Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie: Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 79.